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Nach 40000 Meilen um die Welt
Einhand nur noch zu den Ochseninseln

 

In der Tasmanischen See trieb er 15 Stunden vor Topp und Takel bei 50 Knoten Wind und 15 Meter hohen Wellen.
Im Indischen Ozean lag er elf Tage bei 48 Grad Hitze in der Flaute.
Am Kap der guten Hoffnung lauerten 30 Meter hohe Monsterseen auf seine Neun-Meter-Yacht.
Doch das schlimmste Stück Weltumsegelung, findet Günter Herrmann, kam zum Schluß in der Ostsee.


 

Die Heimat empfing ihn mit Nordwest Stärke sieben bis neun. Kurze, harte Wellen, null Knoten Fahrt über Grund, da gab er auf. 20 Meilen vor dem Ziel beherzigte er eine Segler-Weisheit und lief Kappeln als Nothafen an. ,,Manchmal ist es klüger, zwei Schritte zurück als einen vorauszugehen", sagt Herrmann. ,,Das gilt vor Kap Horn und auch vor Kegnaes." Jetzt liegt seine ,,Nova" festvertäut im Hafen der Seglervereinigung, und Herrmann stößt mit guten Freunden nach sechs Jahren und vier Tagen auf eine glückliche Heimkehr an. ,,Das Grün ist herrlich hier. Dieses Grün habe ich vermißt." Das Licht des Nordens hat er auch vermißt. Und Schwarzbrot, na klar, Schwarzbrot hat er nicht nur vermißt, er hat es entbehrt. Aber seine Gedanken drehen sich noch um die Ferne. ,,Als nächstes will ich die Gegenden erkunden, die ich mit dem Boot nicht besuchen konnte. Per Flugzeug."

 

Die meisten der 40000 Meilen segelte Günter Herrmann allein und deswegen sagt er wie alle Einhandsegler ,,wir", wo der Zuhörer ein ,,ich" erwartet. ,,Das Schiff gehört dazu", erklärt der pensionierte Marinesoldat. Das Boot auf einer solchen Reise ist mehr als bloß Transportmittel, es ist ein Begleiter. Ein treuer Begleiter. ,,Ich habe während der ganzen Reise keine Sekunde an diesem Schiff gezweifelt", lobt Herrmann seine ,,Scorpion 30" aus der Finkenwerder Fels-Werft. Die ,,Nova" begleitete Günter Herrmann in die Paradiese dieser Erde. Ihre Route führte sie über Binnenwasserstraßen ins Mittelmeer, von dort zu den Kanaren, dann in die Karibik, durch den Panama-Kanal nach den Galapagos-Inseln und von dort zu den Hunderten von Palmen-Inseln in der Unendlichkeit Südsee. Aus der Unendlichkeit segelte Günter Herrmann nach Neuseeland, besuchte für ein Jahr seinen 31 Jahre verschollen geglaubten Bruder in Brisbane/Australien, dann für einen Monat die blauäugigen schwarzhäutigen Bewohner der Salomoninseln, ehe er vor der Wirbelsturm-Saison Reißaus nahm und nonstop in 90 Tagen 7600 Meilen nach Südafrika zurücklegte.

 

Er blieb dort ein Jahr. Silvester 1997 feierte er in Lüderitz (Namibia), ehe er Napoleons letzte Heimat St. Helena besuchte. Er lief die Insel Fernando de Noronha vor Brasilien an, spielte mit dem Gedanken, den Amazonas hinaufzusegeln und verwarf ihn wieder, fuhr zur Flensburger Rum-Insel nach St. Croix, segelte auf ein Bier zum legendären Yachtie-Treff ,,Caffé Sport" in Horta/Azoren und von dort nach Hause.

 

Wie er die Reise so skizziert mit der Spitze eines kleinen Schraubenziehers auf der Karte eines Weltatlas, sieht es aus, als sei es ein Klacks gewesen. Aber 40000 Meilen mit ,,Nova", das ist die Botschaft zwischen den Worten, waren eine Prüfung die nicht jeder besteht. Geschlafen hat Günter Herrmann während der Törns überwiegend im 30-Minuten-Takt. Eine Eieruhr teilte die Nächte in kurze Intervalle: eine halbe Stunde Schlaf, eine halbe Stunde Wache. Manchmal hat er auch gar nicht geschlafen. Als ihm vor der Südspitze Madagaskars die Selbststeueranlage den Dienst versagte, mußte er pausenlos Ruder gehen. Acht Tage lang. ,,Frag' nicht, wie ich mich hinterher fühlte..." Die Einsamkeit folgte ihm wie ein Schatten. Wann immer er unter Leute kam, mußte er ins Getümmel. ,,Was sollte ich machen. Die Menschen fehlten mir", sagt Günter Herrmann. Die Funkstation war während der endlos langen Etappen seine einzige Verbindung zur Menschheit. Regelmäßig treffen sich die segelnden Nomaden der Weltmeere zum Plausch im Äther. Hilfe und Zuspruch über Tausende von Meilen. Rezepte für die Zubereitung von Brotfrüchten und Fliegenden Fischen. Warnungen vor Piraten, ungnädigen Zollbeamten, Stürmen, Schiffsmeldedienst. Kontaktbörse.

 

Herrmann zählt Menschen zu seinen Freunden, die hat er nie gesehen. Knut zum Beispiel. Den hatte es auf die Chagos lslands im Indischen Ozean verschlagen. ,,Das hat jeder von uns schon mindesten einmal durchgemacht", tröstete Knut, als Günter Herrmann von seiner schwärzesten Stunde im Indischen Ozean berichtete.

 

 Der Tod hatte einen gewaltigen Wulstbug, war wenige Meter entfernt und zielte mit 20 Knoten Fahrt mittschiffs auf die ,,Nova". Ein vollbeladener Container-Frachter. ,,Der kam aus dem Nichts", schwört der der Skipper. ,,20 Minuten vorher war da noch nichts gewesen." Als es dunkel wurde, weil sich der Schiffsriese zwischen die aufgehende Sonne und die ,,Nova" schob, setzte der Verstand aus. ,,,Ich stand wie festgenagelt im Salon mit meinem Becher Kaffee in der Hand." Er setzte erst wieder ein, als es hell wurde und das Wummern der Schiffsmaschine langsam verblaßte. Tage und Nächte versuchte sich Herrmann zu erklären, warum es ihn damals nicht erwischt hatte mitten im Indischen Ozean. ,,Wahrscheinlich hat die Bugwelle das Boot beiseite gedrückt", vermutet er. Knut auf den Chagos hatte eine andere Erklärung. ,,Du hast einfach ein unwahrscheinliches Glück gehabt", gratulierte er über 1600 Meilen.

 

 Das Minimalziel einer solchen Reise hat Günter Herrmann erreicht. Er ist heil zurückgekommen. Und noch so eine extravagante Fahrt, das schwor er sich auf der stürmischen Rückfahrt über den Atlantik, wird es nicht geben. Nach all den paradiesischen Eindrücken standen ihm am vergangenen Montagabend, als er bei Flensburger Schietwetter und immer noch sieben Windstärken die Ochseninseln passierte, doch die Tränen in den Augen. Drei Freunde hatten dort ausgeharrt, um ihn zu empfangen. Die Ochseninseln sind erklärtes Ziel seiner nächsten Einhand-Tour. "Dort wie früher zu ankern und einen sonnigen Sonntagnachmittag verbringen", freut sich der Weltumsegler, ,,das mag nicht das Paradies sein. Aber es ist Heimat."


Quelle: Flensburger Tageblatt

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